am himmel grüne luftballons.

zur lesung von elisabeth borchers vom 23.09.2007 bei galerie&poesie in zürich

 

 

Wider Erwarten so gar nichts Zerbrechliches. Ausser den fein-gliedrigen Händen mit dunkelblauen Adern unter durch-sichtiger Haut. Kaum wahrzunehmen ihr Zittern, wenn die Augen müde werden und sie die Lupe zu Hilfe nimmt, wenn sie bedächtig einen Schluck Brunnenwasser trinkt, ein weiteres Buch aus der Handtasche zieht. Kleine Füsse in roten Schuhen, ein Deux-Pièces aus rosa Wolle, eine Perlenkette, goldene Ringe, roter Lippenstift.

 

Ein Strahlen geht von ihr aus. Die Worte von Arnold Stadler, dass man vollzählig ist, wenn sie den Raum betritt, könnten stimmiger nicht sein.

 

Sie erzählt, dass ein Freund (war es Krolow?) bereits einen 'nächsten Termin' hatte nach dem Begräbnis der Kaschnitz und durch die Strassen gerast ist in seinem Jaguar. Dass ein Umzug ansteht, was sich nicht einfach gestaltet mit ihren zehn- tausend Büchern. Dass 'der Krug' der Krug ihrer Grossmutter ist, in dem sie die Milch stocken liess. Sie erzählt von den Lichtern in den Fenstern der Wohnung beim Nachhause-kommen und davon, dass ihr die hellen Fenster gefehlt haben nach dem Tod der Mutter. Sie erzählt, wie sie (die immer gearbeitet hatte) staunte, wenn ein Autor ihr sagte, er fahre nach Paris, um einen Roman zu schreiben; staunte, dass man das einfach so machen kann, dass man die Zeit dazu hat, und das Geld. Und Material für einen ganzen Roman.

 

Sie liest ein Gedicht oder zwei und erzählt. Keine Erklärungen. Kleine Geschichten, Episoden. Keine Notizen. Keine Zettel in den Büchern. Nur eine Karte, die sie hie und da zur Hand nimmt, bevor sie weiterblättert und in Ruhe das nächste Gedicht sucht.

 

Sie liest. Sie spricht. Mit dunkler, sicherer Stimme. Konzen-triert. Langsam. Mit bedächtigen Pausen. Gewollt nach dem einen und einzigen, nach dem richtigen Wort suchend. Das sie dann sagt in ihrer Klarheit. Oder auch nicht. Wenn sie es für sich behält, dann mit einem Lächeln und diesem leisen, entfernten Blick in die Mitte der Gedanken – ihrer und unserer, die wie kleine Vögel lautlos kreisen in diesem sonnengefluteten Raum. Draussen vor den Fenstern der Fluss. Am Himmel grüne Luftballons.

  

 

 

 

 

*im Nachwort zu 'Alles redet schweigt und ruft'

 

 

 

 

 

 

elisabeth borchers - ©marianne rieter
elisabeth borchers - ©marianne rieter
elisabeth borchers - ©marianne rieter
elisabeth borchers - ©marianne rieter
elisabeth borchers - zürich, 23.09.2007